Litfaßsäule auf der Schafweide

25.10.2019

Auf der Schafweide in Karnitz steht seit kurzem eine Litfaßsäule. Nun ja, die moderne Landwirtschaft hat schon viel neues und auch Seltsames gebracht. Aber eine Litfaßsäule?

Eine Litfaßsäule ist ja eine auf dem Gehweg von Straßen aufgestellte Anschlagsäule, an die Plakate mit Informationen geklebt werden. Sie wurde vom Berliner Drucker Ernst Litfaß erfunden und im Jahr 1854 erstmals verwirklicht.

Die Idee, Plakatsäulen aufzustellen, entstand, um der damals um sich greifenden Wildplakatierung entgegenzuwirken. Litfaß schlug dem Polizeipräsidenten von Berlin vor, überall in der Stadt Säulen aufzustellen, an denen die Menschen ihre Plakate anhängen konnten. Nach jahrelangen Verhandlungen erhielt Litfaß am 5. Dezember 1854 die erste Genehmigung für seine „Annoncier-Säulen“. Das Großartige daran war, dass die Genehmigung mit der Auflage verbunden war, auch die neuesten Nachrichten an den Säulen zu publizieren.

Toralf Parsch aus Lelkendorf hatte die Geistesgegenwart, den Abrissarbeitern der Litfaßsäulen in Berlin sieben dieser Dinger vom Auto herunter abzunehmen. Warum sollte etwas verschrottet werden, was solch eine demokratische Funktion haben kann: Alle Bürger können ihre neuesten Informationen veröffentlichen– nicht nur die, die Geld haben, um Werbeanzeigen zu plakatieren.

Die Künstlerin Adrienne Györgyi bewarb sich um eine der Säulen, um ihre neueste Information zu verbreiten. Das ist ein bunter Barcode – so ein Strichsystem, das auf jedem Bier und jedem Schnitzel im Supermarkt prangt. Sie brachte jedoch einen aktuelleren Barcode mit der wichtigsten neuen Information ins Spiel: Wir haben vermehrt warme bis heiße Jahre und die Durschnittstemperaturen von 1891 an bis heute dokumentieren das. Das ist real – sagt die Installation. Bei dem Barcode beschreibt nämlich jeder Strich = ein Jahr die jeweilige Durchschnittstemperatur. Blau ist kühl und rot ist warm. Und wen wunderts noch nach den Erfahrungen der letzten Jahre: Man sieht eigentlich nur noch rot!

Ich schaue täglich aus meinem Fenster auf die Litfaßsäule, finde sie schön in einer völlig anderen Umgebung, in der sie üblicherweise steht. Was ist da schön bei der Aussage?

Schön als bequem und wohlgefällig hilft da nicht weiter. Schön als reizvoll, (uns) ansprechend schon mehr: Es hat was mit uns und unserer Lebensweise zu tun. Das heißt, wir sind daran beteiligt, Dinge die wir aus irgendwelchen Gründen in die falsche Richtung gebogen haben, gemeinsam in eine etwas geradere Richtung zu biegen. Dazu gehört klar, die Politik, die endlich reale politische Änderungen bringen muss Wir aber sollten uns nicht unsere Kräfte rauben lassen, selbst auch zu handeln. Ich habe Enkel und wenn ich mir deren Leben vorstelle in den nächsten 80 Jahren – dann habe ich sehr große Sorgen.

Für mich heißt das, na los: mach ich erstmal meinen Klimaschutz, mach ich zugleich Dampf unterm Hintern für mehr kommunalen Klimaschutz. Nun fragt nicht was ist das. Und ich sage: Packt Euch doch mal endlich Anlagen aufs Haus, mit denen ihr Euren eigenen Strom und eigene Wärme herstellt. Das ist simpel, Du hältst die Hand auf den Geldbeutel und Du wirst unabhängiger von Preisschwankungen und -steigerungen. Ist nicht der ein Dödel, der sich das Geld aus der Tasche ziehen lässt? Vielleicht gibt es andere Ideen? Ich kenne die nicht.

von Joachim Borner