Zwischenbilanz

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Umstellung auf mehr Bio in der Außerhausverpflegung: ein Marathon

Seit dem Projektbeginn im Dezember 2021 habe ich zahlreiche Gespräche mit Kita- und Schulleitungen geführt, Produzenten befragt, Verarbeiter (Kartoffelschälanlagen, Gemüseverarbeitung) aufgesucht und Exkursionen zu Bioproduzenten und Biocaterern organisiert – Zeit für eine Zwischenbilanz.

Die Portraits der Caterer zeigen, dass 100% aus Bioprodukten und frisch vor Ort zubereitet nicht teurer sein muss als ausgeliefertes Essen. Das ist eine motivierende Erkenntnis, durch die wir wissen: es ist möglich, und zwar überall, für alle Kitas und Schulen. Die Küche vor Ort ist kein unbezahlbarer Luxus. Sie bringt – zu den gleichen Kosten wie bisher – Bildung und Genuss an diese wichtigen Orte, an welchen unsere Kinder groß werden.

Fakt ist auch: Kitas und Schulen wollen ein frisch zubereitetes qualitativ hochwertigeres Essen aus der Region für ihre Kinder und die Teams. Sie wollen ihren Kindern Ernährungsbildung mit sinnhaftem Praxisbezug vermitteln, weil sie tagtäglich sehen, mit welchen gesundheitlichen Schäden (Übergewicht) der fehlende Bezug zu nahrhaften Lebensmitteln für ihre Kinder verbunden ist.

Die folgenden Bilder vermitteln einen ersten Eindruck von diesen beispielhaften Küchen:

 

 

 

Bis am Ende eine Küche in Betrieb gehen kann, sind zahlreiche Hürden zu überwinden: die Kitas und Schulleitungen haben wenig Zeit für die vielen Treffen, die notwendig sind, um ein Verpflegungskonzept auszuarbeiten, Umbaumaßnahmen müssen mit der zuständigen Immobilienverwaltung abgestimmt und Anträge gestellt werden.

Im Folgenden habe ich beispielhaft ein paar Einblicke in meinen Arbeitsalltag als Wertschöpfungskettenentwicklerin zusammengestellt:

Gemüse und Schälkartoffeln für die Rostocker Schüler:innen

Im Spätsommer letzten Jahres haben wir zusammen mit Stefanie Maack vom BUND, die sich für mehr Bio in den Rostocker Schulküchen einsetzt, eine Exkursion zum Biohof Garvsmühlen organisiert.

Exkursion Biohof Garvsmühlen

Uli Kotzbauer (Biohof Garvsmühlen), Stefanie Maack (BUND), Andreas Schwarz,Arne Schreiber (Stabst. Schulküche Rostock)

„Wenn wir gemeinsam langfristig planen, können wir Euch anbauen, was Ihr wollt: Kürbis, Zwiebeln, Kohl, Tomaten, Salate,“ so Uli Kotzbauer, dem es gelungen ist, den Köchen Andreas Schwarz und Arne Schreiber von der Stabstelle Schulverpflegung in Rostock die erste Skepsis zu nehmen, Appetit auf Bio zu machen und dem Aufbau von direkten Lieferpartnerschaften eine Chance zu geben.

Mit David Reinartz aus Stäbelow bei Rostock (Davids Biohof) habe ich die Kartoffelschälanlage der GEKO Uckermärkische Fruchthandels GmbH in Templin besichtigt und Vorgespräche mit dem Betriebsleiter Robert Franke geführt.

Etwa 80 Tonnen pro Jahr werden für die Rostocker Schulkinder benötigt, sollte die derzeit geplante Zentralküche in Betrieb gehen. Mindestmenge pro Anlieferung sind 25 Tonnen. Etwa 40 Cent / kg erhalten Betriebe für ihre Schälkartoffeln (in diesem Monat) und 1,60 Euro werden sie den Großküchen angeboten (Preise je nach Ernteertrag und Saison stark schwankend). Bei Biokartoffeln beträgt der Schälverlust etwa 50%, mehr als bei konventionellen, u.a. weil keine chemischen Keimhemmer eingesetzt werden dürfen.

Exkursion Kartoffelschälanlage

Auf rotierenden Bürstenzylindern werden die Kartoffeln von ihrer natürlichen Schale befreit und gewaschen. Bevor sie in 25 kg Plastiksäcke abgefüllt werden, schneiden 4-6 Arbeitskräfte an einem Fließband Schadstellen weg.

Sobald das Konzept für die kommunale Zentralküche, in der mind. 5.000 Portionen pro Tag hergestellt werden sollen, fertig ist, wird der Bürgerrat in Rostock darüber abstimmen, zu welchen Konditionen (Bioanteil, Kosten) das Essen angeboten werden soll. Frühestens Ende 2024 wird die Küche in Betrieb genommen werden.

Frisch vom Acker auf den Tisch:
Beratung für Kitas und Schulen, erste Ideen für eine Sommerakademie

Der immense Schälverlust bei Biokartoffeln ist neben dem Bildungsaspekt einer der Gründe, warum wir Kitas und Schulen dabei unterstützen, ihre Küchen so auszubauen, dass dort frisch vor Ort gekocht werden kann. Kinder, die im Schulgarten Kartoffeln setzen, Kartoffelkäfer sammeln und ausgraben, haben keine Berührungsängste mit Pellkartoffeln.

Auf unserer Projektwebsite Campus Cantina erfahren interessierte Kitas und Schulen mehr über das Beratungsangebot, für das es übrigens jetzt auch Fördermittel gibt (RIBE AHV). Die Träger müssen nur 10% der Beratungskosten selbst zahlen.

Eine voll ausgestattete Küche kostet in der Regel 150.000 Euro und kann problemlos über Essensbeiträge refinanziert werden. Wir empfehlen, die Küche im Eigentrieb zu führen, um die Rahmenbedingungen (Angebot, Kosten) unter Kontrolle zu haben.

Bildungsträger haben den Vorteil, dass sie keine Gewerbemiete zahlen und keine MwSt. erheben müssen. Eine weitere Möglichkeit ist die kostenlose Vermietung an Caterer per Nutzungsvertrag mit verbindlichen Konditionen (Bioanteil, Kostendeckel, pädagogische Mitarbeit im Team der Bildungseinrichtung).

Mit David Klewes von der Freien Dorfschule Wismarer Land, der dem Vorstand des Vereins BIO in MV e.V. angehört, haben wir einen Küchenleiter in unserem Netzwerk, der sein Wissen gerne weitergibt. So arbeiten wir gerade an einem Konzept zum Aufbau einer Sommerakademie für die Weiterbildung von Kita- und Schulköchi:innen, ein entsprechender Förderantrag ist in Vorbereitung.

„Ein Mittagessen mit saisonalen Zutaten so zuzubereiten, dass es den Kindern schmeckt, ist kein Hexenwerk, man muss nur wissen wie. Mir macht die Arbeit als Koch in dieser Schule viel mehr Spaß als in der Gastronomie. Der Austausch und die Arbeit mit den Kindern ist spannend und bringt mich immer wieder auf neue Ideen.“
(David Klewes)

 

Beratung der Diakonie Westmecklenburg

Seit einem Jahr beraten wir die Diakonie Westmecklenburg bei der Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie für ihre Küchen in Kita- Schulen, Senioreneinrichtungen und der Betriebskantine in Schwerin.

Dazu gehören Exkursionen zu Best-Practice-Küchen in Greifswald, Berlin und Hamburg und Gespräche mit erfahrenen Betriebsleitungen, um ein zu den Rahmenbedingungen der Diakonie passendes Gesamtkonzept zu entwickeln. Die erste Einrichtung, die eine Vollküche mit integrierter Lehrküche bekommen wird, ist die Montessorischule in Schwerin.

Exkursion Hanse-Kinder Greifswald

Manuela Recht (Köchin der Betriebskantine Diakonie Westmecklenburg), Thomas Tweer (Geschäftsführung Diakonie Westmecklenburg), Antje Wziontek-Franz (Betriebsleitung Hansekinder), Uli Kotzbauer und Achim Lerm (ehem. Betriebsleiter Hansekinder stellv. Oberbürgermeister Greifswald) bei der Besichtigung der Kitaküchen des Eigenbetriebs Hanse.-Kinder in Greifswald, im Gespräch mit Magdalena Krakowiak von Gran Gusto, die bereits seit Jahren mehrere Kitas mit einem Mittagessen aus 100% Bioprodukten versorgt.

Exkursion Allianz Kantine

Hier seht Ihr mich bei der Besichtigung der Betriebskantine der Allianz in Hamburg, die in nur 12 Monaten auf 100% Bio umgestellt und ein neues Lieferantennetzwerk aufgebaut hat. Hier wird frisch vor Ort gekocht. Das Angebot ist so attraktiv, dass die Belegschaft freiwillig aus dem Homeoffice zurückgekehrt ist, Azubis und Werkstudierende zahlen nichts, vegetarische Gerichte werden subventioniert. Küchenleiter Denis Florschütz von Apetito soll bei der Beratung der Diakonie miteinbezogen werden.

Auch bei den staatlichen Schulen in Schwerin konnten wir bereits erste Weichen stellen, in dem wir das Konzept der Frischeküche bei der Immobilienverwaltung und dem Schulamt vorgestellt haben, damit bei der nächsten anstehenden Sanierung die technischen Rahmenbedingungen und der Platzbedarf für eine voll ausgestattete Küche mit einbezogen werden kann.

Leitplanken setzen!

Nicht zuletzt bin ich (ehrenamtlich) auch politisch aktiv: das Ministerium für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt hat Kaike Brand und mich als Vertreterinnen der Fachöffentlichkeit angefragt, beim Workshop zur Erarbeitung der Sektorzielstudie MV mitzuwirken.

Workshop Sektorziele Klimaschutz

Die Forderung, die wir eingebracht haben:

100% Bioanteil in der Außerhausverpflegung und DGE-Zertifizierung als verpflichtende Bedingung bei Ausschreibungen plus Kostendeckel, wie es in Berlin (4,36 Euro / Portion) erfolgreich umgesetzt wurde.

Es gibt viele Caterer, die auch zu diesen Konditionen in der Lage sind, 100% Bioprodukte zu verarbeiten und damit die Nachfrage nach Bioprodukten aus Brandenburg signifikant steigern konnten.

Da wollen wir auch hin in MV!

Letztendlich ist es eine leicht umzusetzende Regelung, von welcher alle Wählergruppen profitieren: es entstehen neue attraktive Arbeitsplätze auf der Schnittstelle zwischen Kochhandwerk und Pädagogik, Kinder lernen von früh an, wo ihr Essen herkommt und wie sie es zubereiten können (= Gesundheitsprävention). Nicht zuletzt ist frisch zubereitetes Essen ein echter Mehrwert auch für die Teams. Zudem können die Küchen auch mit ihrer Umgebung interagieren und Kochworkshops für und mit den Bewohner:innen vor Ort anbieten.